Der „Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt
Potsdam e. V.“ gibt die neue Publikation „Das Widerstandsprojekt
Garnisonkirche – Eine Chronik der Hof- und Militärkirche, des
Widerstandes gegen den Wiederaufbau der Kirche und der jüngeren
Stadtentwicklung“ (1644–2022) heraus. Autor ist Carsten Linke.

Das Buch ist am 14.04.2022 erschienen und stellt somit bewusst einen
Kontrapunkt zur Einweihung des Glockenspiels der Garnisonkirche in
Potsdam am 14.04.1991 und zur Grundsteinlegung des
Garnisonkirchen-Projektes am 14.04.2005 dar. Beide Termine
instrumentalisieren die sogenannte Nacht von Potsdam im April 1945 für
das geschichtsrevisionistische Wiederaufbauprojekt. Die Buchvorstellung
fand am 25.04.2022 im Kunst und Kreativhauses Rechenzentrum statt.

Mit der Publikation wird erstmals die Geschichte der Garnisonkirche, vor
allem ihre Nutzungsgeschichte und ihre Einordnung in den militärischen
Kontext der Stadt, in einem bisher unbekannten Umfang aufgearbeitet. Ein
Fokus liegt auf der historischen Militärstadt. Einen Großteil der
Ereignisdarstellung macht hingegen die Zeit von 1871 bis 1945 aus. Die
Kontinuität der nationalistischen und später nationalsozialistischen
Nutzung ist erschreckend und leitet sich aus der antidemokratischen
Historie der Kirche und auch aus der Verklärung preußischen Geschichte
ab. Hier liegt auch der Ursprung für die Ablehnung des
Wiederaufbauvorhabens durch unseren Verein.

Der zweite darauf aufbauende Teil ist eine Chronik des Widerstandes zum
Aufbau der Garnisonkirche mit der einhergehenden städtebaulichen Debatte
der jüngeren Vergangenheit in Potsdam. Die Publikation verdeutlicht
somit die vielschichtigen Gründe für Kritik am Bauvorhaben. Die
Wechselwirkung in der Stadtmitte, zur ehemaligen Fachhochschule, das
Staudenhof-Areal sowie das Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum werden
erlebbar. Die Aktivitäten zahlreicher Gruppen werden deutlich (z.B.
Kampagne gegen Wehrpflicht; BI Potsdam ohne Garnisonkirche, Potsdamer
Mitte neu denken, FÜR e. V., Kulturlobby, Netzwerk Stadt für alle,
Lernort Garnisonkirche, christliche Gruppen und Stiftungen). Es geht um
Identität und Teilhabe, um Bevormundung und Obrigkeitsgläubigkeit. Es
geht um Bürger:innenrechte.

Mit der Veröffentlichung des Bundesrechnungshof-Berichts am 03.02.2022
endet die Chronik, die im Jahre 1644 ihren Anfang hat und ca. 1000
Datumseinträge umfasst. Sie zu lesen bildet, oder hilft, sich eine
eigene Meinung zu bilden.

Der Autor: Carsten Linke (Jahrgang 1963) ist seit 1988 in Potsdam als
Bürgerrechtler und Publizist in antimilitaristischen, ökologischen,
kultur- und sozialpolitischen Zusammenhängen und Strukturen ehrenamtlich
aktiv. Aktuell schreibt er u. a. für www.lernort-garnisonkirche.de und
www.potsdam-stadtfueralle.de.

Buchbestellungen sind ab sofort unter cali-production@posteo.de möglich
(9,- € + ggf. Versand).

08. Oktober 2019, 19 Uhr Filmabend mit Zeitzeugen-Gespräch

Ort: Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum, Kosmos

Die Vorführung historischer Filmaufnahmen aus Potsdam wird eingebettet in die Erzählungen und Gespräche von Zeitzeugen. In Zentrum des Abends stehen die beiden Demonstrationen in der Potsdamer Innenstadt (7. Oktober 1989 und 4. November 1989). Der zeitliche Bogen der Gespräche spannt sich über die Jahre der 1987 bis 1991. Aus dieser Zeit stammen auch alle Filmaufnahmen.

Themen werden sein: der Olav-Palme-Friedensmarsch, die Kommunalwahl, der Zerfall der Bausubstanz, die Gründung von Umwelt- und Bürgerrechtsgruppen sowie Parteien, die Kampagne gegen Wehrpflicht, die Umbettung der preußischen Könige und vieles andere.

Veranstalter: Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam e.V.

Moderation: Carsten Linke

Potsdam 05.09.2019

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Schubert,

wir möchten Sie zu Ihrer Entscheidung, das militaristisch-nationalistisch geprägte Glockenspiel auf der Plantage abzuschalten, beglückwünschen. Dies ist ein Beitrag zur Entmilitarisierung der ehemaligen Garnisonstadt Potsdam und gegen falsch verstandene Traditionspflege. Ebenfalls ist es ein Beitrag zu weniger Antisemitismus in der Öffentlichkeit.

Das Lied „Üb immer Treu und Redlichkeit“, welches zu jeder halben Stunde die Plantage beschallte, ist nicht nur eine Moralkeule für das untertänige Volk, sondern im Kern nationalistisch und antisemitisch. Vieles spricht dafür, dass der „Bösewicht“ in Höltys Gedicht (dem Liedtext) von 1776 vom „ewigen Juden“ inspiriert ist, welcher ruhelos und vom Teufel umhergetrieben wird. „Er ist auf Lug und Trug erpicht, und wünscht sich nichts als Geld“. Hölty bedient damit das damalige Negativbild der Juden, die angeblich dem ehrbaren, tugendhaften und schaffenden Deutschen gegenüber stehen.

Das Lied „Lobe den Herren“ ist in Preußen klanggewordene Vereinnahmung von Glauben für militärische und kriegerische Zwecke. Es wird ein Gott angerufen, der bei allen Kriegen, auch den zahlreichen preußischen Kriegen, auf beiden Seiten der Front angebetet wurde. Alles Soldaten, egal auf welcher Seite der Schlacht sie standen, beteten zum gleichen Gott. Und ihre Befehlsgeber, ihre Fürsten, Könige und Prediger versicherten, dass dieser Gott auf ihrer Seite stünde. Dies gipfelte, speziell bei den Predigern der Potsdamer Hof- und Garnisonkirche darin, dass das deutsche Volk, das von Gott auserwählte Volk sei.

Das Verstummen der Glocken, die Inschriften tragen wie „suum cuique“ (Jedem das Seine) oder den faschistischen Kyffhäuserbund (einem Teil des NS-Reichskriegerbundes) gewidmet sind, ist wenige Tage nach dem 80. Jahrestages des Überfalls auf Polen eine versöhnliche Geste.

Wir gehen fest davon aus, dass diese nicht mit dem originalgetreuen Wiederaufbau des Garnisonkirchenturms und dessen Glockenspiel wieder zunichte gemacht wird.

Mit antimilitaristischen Grüßen
Dr. J. Kwapis / C. Linke
Vereinsvorstand

Wegmarken Potsdamer Demokratie

 

Donnerstag 21.6.2018 19:30 Uhr Filmmuseum Potsdam

Fahnenflucht in Potsdam (1713 bis 1918) – ein Ausstellungsprojekt

Seit der Antike werden Fahnenflüchtige bestraft. Die Sanktionen reichten von körperlicher Züchtigung bis hin zur Todesstrafe. Über das Schicksal von Deserteuren im Zweiten Weltkrieg ist mittlerweile relativ viel bekannt. Doch warum verließen Soldaten in den vergangenen Jahrhunderten ihre Truppe? Fehlende Aufzeichnungen und später der Blick aus juristischer Sicht verstellen den realen Zugang; viele Gründe können nur vermutet werden: bessere Bedingungen in der gegnerischen Armee, Angst vor dem Tod, Sehnsucht nach der Heimat, ausbleibender Sold…Und was bedeutete es für die Helfenden, wenn der Plan fehl schlug? Wer profitierte von einer gescheiterten Flucht? Diesen Fragen soll ein Ausstellungsprojekt des Vereins zur Förderung antimilitaristischer Traditionen am Beispiel von Potsdam und weiteren brandenburgischen Orten nachgehen.

Standbild aus DÈSERTEUR

 

Standbild aus „DÈSERTEUR“ (F 2017, Regie: Mathilde Dourdy)

Die Ethnologin Jeanette Toussaint stellt erste Rechercheergebnisse vor und präsentiert drei Kurzfilme, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven dem Thema nähern.

 

DER DESERTEUR

Deutsche Mutoskop- und Biograph-Gesellschaft 1909; 4 Minuten

DÈSERTEUR

F 2017 1 Minute 25 sec Regie: Mathilde Dourdy

JOSEFS BRÜDER

D 2005 (HFF München) 14 Minuten Regie: Philipp Clarin

 

Die Recherchen förderte die Landeshauptstadt Potsdam, das Filmprogramm die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung.